Lösung vektorieller Mehrfachintegrale

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In diesem Artikel wird die Vorgehensweise zur Lösung vektorieller Mehrfachintegrale anhand eines Beispiels (Satz von Gauß) beschrieben. Dabei wird auch auf Aspekte wie die Integrationsreihenfolge und die verwendete Schreibweise eingegangen.

Elektrische Feldstärke einer Punktladung

Betrachtet wird eine Punktladung Q, die sich im Ursprung eines kartesischen Koordinatensystems befindet (siehe Abbildung, diese zeigt einen Querschnitt der Anordnung). Ziel ist es nun, im gesamten Raum die von dieser Punktladung hervorgerufene elektrische Feldstärke \vec{\textbf{E}} zu bestimmen.

Punktladung

Ausgangspunkt hierfür ist zunächst der Satz von Gauß:


\oint_A \vec{\textbf{D}}\cdot\mathrm{d}\vec{\textbf{A}} = Q_\text{eing}

Der Satz besagt, dass die Integration der elektrischen Flussdichte \vec{\textbf{D}} (dabei handelt es sich hier um eine zur elektrischen Feldstärke proportionale Größe) über eine beliebige geschlossene Hüllfläche A der darin eingeschlossenen Ladung Q_\text{eing} entspricht. Da eine Hüllfläche stets ein Volumen umschließt, kann auch von der im umschlossenen Volumen befindlichen Ladung Q_\text{eing} gesprochen werden. Die geschlossene Hüllfläche ist deshalb beliebig wählbar, weil der Satz keine Aussage über deren Form trifft.

Der Index A des Integralzeichens gehört zum vektoriellen Differential \mathrm{d}\vec{\textbf{A}} und gibt an, dass es sich um eine gerichtete (gerichtet weil vektoriell) Fläche (englisch area) handelt. Da das Integralzeichen weiterhin mit einem Ring dargestellt wird, handelt es sich hierbei um eine geschlossene Fläche (= Hüllfläche). Daher spricht man hier auch von einem Hüllflächenintegral. Der Punkt symbolisiert, dass zwischen den beiden Vektoren \vec{\textbf{D}} und \mathrm{d}\vec{\textbf{A}} das Skalarprodukt auszuführen ist.

Die elektrische Flussdichte \vec{\textbf{D}} ist (hier) mit der elektrischen Feldstärke \vec{\textbf{E}} gemäß \vec{\textbf{D}} = \varepsilon_0\vec{\textbf{E}} verknüpft. Diese Gleichung kann nach \vec{\textbf{E}} umgestellt und in den Satz von Gauß eingesetzt werden, so dass folgt:


\oint_A \vec{\textbf{E}}\cdot\mathrm{d}\vec{\textbf{A}} = \frac{Q_\text{eing}}{\varepsilon_0}

Bei einer Punktladung handelt es sich zwar um ein Modell für eine Ladung ohne räumliche Ausdehnung, prinzipiell kann jedoch auch von der Form einer unendlich kleinen Kugel ausgegangen werden. Zur Bestimmung der elektrischen Feldstärke bietet sich damit die Verwendung von Kugelkoordinaten an. Aufgrund der Symmetrie der Kugel folgt, dass auch das elektrische Feld kugelsymmetrisch sein muss und folglich ausschließlich vom Abstand r vom Koordinatenursprung abhängt:


\vec{\textbf{E}} = \vec{\textbf{E}}(r)

Aus der Kugelsymmetrie folgt weiterhin, dass die elektrische Feldstärke radialsymmetrisch gerichtet ist, also stets in Richtung des Einheitsvektors \vec{\textbf{e}}_r zeigt (vgl. Abbildung oben). Damit kann der Vektor der elektrischen Feldstärke als Produkt seines Betrags und des genannten Richtungsvektors ausgedrückt werden (vgl. Komponentendarstellung von Vektoren):


\vec{\textbf{E}} = \vec{\textbf{E}}(r) = E(r)\,\vec{\textbf{e}}_r

Um den Satz von Gauß anwenden zu können, ist die Wahl einer (beliebigen) geschlossenen Hüllfläche erforderlich. Hier ist nun die Verwendung einer kugelförmigen Hüllfäche zweckmäßig, von der \mathrm{d}\vec{\textbf{A}} ein infinitesimales Flächenelement darstellt, welches auf der Oberfläche der Hüllfläche ebenfalls immer in Richtung \vec{\textbf{e}}_r zeigt (vgl. Abbildung oben):


\mathrm{d}\vec{\textbf{A}} = \vec{\textbf{e}}_r\,r^2\,\sin\vartheta\,\mathrm{d}\vartheta\,\mathrm{d}\varphi

Da die Punktladung als unendlich kleine Kugel aufgefasst wird, ist die in der Hüllfläche (deren Größe durch den gerade betrachteten Radius r gegeben ist) eingeschlossene Ladung immer durch Q gegeben (ohne Koordinatenursprung), so dass die rechte Seite des Integrals konstant bleibt. Setzt man die ermittelten Zusammenhänge ein, so folgt:

Zuordnung von Integrationsvariablen

Die Integrationsgrenzen in Kugelkoordinaten werden so gewählt, dass diese die gesamte Kugeloberfläche (sonst wäre es keine geschlossene Hüllfläche) erfassen. Die Winkel müssen dabei unbedingt im Bogenmaß angegeben werden.

Bei der Zuordnung der Integrationsvariablen zu den jeweiligen Integralzeichen mit den Grenzen gilt die Konvention "von innen nach außen" (siehe Markierungen). Die Reihenfolge der Integration spielt jedoch keine Rolle und wird hintereinander ausgeführt, d. h. es kann wahlweise zuerst nach \mathrm{d}\varphi oder \mathrm{d}\vartheta integriert werden. Die zu den jeweiligen Variablen gehörenden Integrationsgrenzen bleiben aber erhalten. Je nach Integral kann eine geschickte Wahl der Integrationsreihenfolge auch zu Vereinfachungen führen.

In der obigen Gleichung wird zunächst das Skalarprodukt der Einheitsvektoren bestimmt (\vec{\textbf{e}}_r\cdot\vec{\textbf{e}}_r = 1) und man erhält:


\int_{0}^{2\pi}\int_{0}^\pi E(r)\,r^2\,\sin\vartheta\,\mathrm{d}\vartheta\,\mathrm{d}\varphi = \frac{Q}{\varepsilon_0}

Der Term E(r)\,r^2 hängt nicht von den Integrationsvariablen \vartheta und \varphi ab, so dass dieser vor das Integral geschrieben werden kann:


E(r)\,r^2 \int_{0}^{2\pi}\int_{0}^\pi \sin\vartheta\,\mathrm{d}\vartheta\,\mathrm{d}\varphi = \frac{Q}{\varepsilon_0}

Nun kann zunächst die Integration nach \vartheta ausgeführt werden (wahlweise auch nach \varphi):


E(r)\,r^2 \int_{0}^{2\pi} \lbrack-\cos\vartheta\rbrack_0^\pi\,\mathrm{d}\varphi = \frac{Q}{\varepsilon_0}

Damit folgt:


E(r)\,r^2 \int_{0}^{2\pi} \underbrace{\lbrack\lbrack-\cos\pi\rbrack-\lbrack-\cos0\rbrack\rbrack}_{=2}\,\mathrm{d}\varphi = \frac{Q}{\varepsilon_0}

Das Ergebnis der ersten Integration ist also unabhängig von der verbleibenden Integrationsvariable \varphi und kann daher ebenfalls vor das Integral geschrieben werden:


2\,E(r)\,r^2 \underbrace{\int_{0}^{2\pi} \mathrm{d}\varphi}_{2\pi} = \frac{Q}{\varepsilon_0}

Das verbleibende Integral liefert 2\pi, so dass sich insgesamt die folgende Gleichung ergibt:


4\pi\,E(r)\,r^2 = \frac{Q}{\varepsilon_0}

Der Betrag der elektrischen Feldstärke ergibt sich damit durch einfaches Umstellen:


E(r)= \frac{Q}{4\pi\varepsilon_0\,r^2}

Durch das Skalarprodukt im Satz von Gauß geht also die Richtungsinformation verloren, allerdings wurde ja bereits der Zusammenhang \vec{\textbf{E}}(r) = E(r)\,\vec{\textbf{e}}_r beschrieben. Insgesamt gilt damit (ausgenommen ist der Punkt r=0, da der Term dort wegen der Division durch 0 nicht definiert ist):


\vec{\textbf{E}}(r) = \frac{Q}{4\pi\varepsilon_0\,r^2}\,\vec{\textbf{e}}_r

Hinweise

Vermeidung der Integration

Ist die zu integrierende Funktion unabhängig von sämtlichen Integrationsvariablen, so kann diese direkt vor das Integral geschrieben und das Ergebnis des Integrals sofort angegeben werden. In dem obigen Beispiel gilt:


\vec{\textbf{E}}(r) = E(r)\,\vec{\textbf{e}}_r

Für das Differential gilt außerdem:


\mathrm{d}\vec{\textbf{A}} = \vec{\textbf{e}}_r\,r^2\,\sin\vartheta\,\mathrm{d}\vartheta\,\mathrm{d}\varphi

Nach der Ausführung des Skalarprodukts der Einheitsvektoren kann der Term E(r) vor das Integral geschrieben werden:


E(r) \underbrace{\int_{0}^{2\pi}\int_{0}^\pi r^2\,\sin\vartheta\,\mathrm{d}\vartheta\,\mathrm{d}\varphi}_{A_\text{Kugel}} = \frac{Q}{\varepsilon_0}

Für das Integral kann folglich direkt die Oberfläche einer Kugel angegeben werden (A_\text{Kugel}=4\pi\,r^2), so dass die Integration hier gar nicht explizit ausgeführt werden muss:


E(r)\,4\pi\,r^2 = \frac{Q}{\varepsilon_0}

Ähnliche Fälle können sich zum Beispiel bei der Integration über Konturen (z. B. Kreise) oder Volumina ergeben.

Vereinfachungen bei der Integration

Sind die zu integrierenden Funktionen unabhängig voneinander, so können die jeweiligen Ergebnisse der einzelnen Integrale einfach multipliziert werden:


\int_{x_1}^{x_2} \int_{y_1}^{y_2} f(x)\,f(y)\,\mathrm{d}x\mathrm{d}y =
\int_{x_1}^{x_2} f(x)\,\mathrm{d}x \cdot \int_{y_1}^{y_2} f(y)\,\mathrm{d}y =
\lbrack F(x)\rbrack_{x_1}^{x_2}\, \lbrack F(y)\rbrack_{y_1}^{y_2}

Dabei bezeichnen F(x) und F(y) die zu f(x) bzw. f(y) gehörenden Stammfunktionen. Für das oben auftretende Integral gilt damit:


\int_{0}^{2\pi}\int_{0}^\pi \sin\vartheta\,\mathrm{d}\vartheta\,\mathrm{d}\varphi =
\underbrace{\lbrack-\cos\vartheta\rbrack_0^{\pi}}_{2}\, \underbrace{\lbrack\varphi\rbrack_0^{2\pi}}_{2\pi} = 4\pi

Zerlegung von Hüllflächen

Je nach gewählter Hüllfläche kann es sinnvoll sein, diese in Teilflächen zu zerlegen und die Integration als Summe über diese Teilflächen anzugeben. Liegt beispielsweise eine zylinderförmige Hüllfläche vor, so kann separat über Boden, Deckel und Mantel integriert werden. Dabei müssen alle Teilflächen zusammen die geschlossene Hüllfläche ergeben.

Obwohl dies in dem obigen Beispiel nicht erforderlich ist, kann auch die kugelförmige Hüllfläche in eine obere und untere Halbkugel zerlegt werden:

Zerlegung einer Hüllfläche

Ähnliche Fälle können sich zum Beispiel bei der Integration über Konturen (z. B. Kreise) oder Volumina ergeben.

Symbolische Schreibweise des Integrals

In dem Beispiel wird über eine Fläche integriert, daher gibt es letztendlich zwei Integrationsvariablen und folglich auch zwei Integralzeichen. Im Satz von Gauß wird nur ein Integralzeichen verwendet, da es sich um eine kompakte symbolische Schreibweise handelt und der Index A des Integralzeichens bereits zur Kennzeichnung dieser Tatsache ausreicht. In der Literatur werden teilweise auch direkt zwei Integralzeichen angegeben. Analog wird bei Volumenintegralen vorgegangen.

Ausführung des Skalarprodukts

Es kann vorkommen, dass die Vektoren \vec{\textbf{D}} und \mathrm{d}\vec{\textbf{A}} im Integral über mehrere Komponenten verfügen. In diesem Fall liefert das Skalarprodukt eine Summe von Termen, über die einfach separat integriert werden kann. Ein einfaches Beispiel in kartestischen Koordinaten verdeutlicht dies:


\int_{x_1}^{x_2} \int_{y_1}^{y_2} \lbrack f(x)\,\vec{\textbf{e}}_x + f(y)\,\vec{\textbf{e}}_y\rbrack \cdot \lbrack\mathrm{d}x\mathrm{d}y\, \vec{\textbf{e}}_x + \mathrm{d}x\mathrm{d}y\, \vec{\textbf{e}}_y\rbrack =
\int_{x_1}^{x_2} \int_{y_1}^{y_2}
\begin{pmatrix}f(x)\\f(y)\end{pmatrix}
\cdot
\begin{pmatrix}\mathrm{d}x\mathrm{d}y\\\mathrm{d}x\mathrm{d}y\end{pmatrix} =

\int_{x_1}^{x_2} \int_{y_1}^{y_2} f(x)\,\mathrm{d}x\mathrm{d}y\, + f(y)\,\mathrm{d}x\mathrm{d}y = 
\int_{x_1}^{x_2} \int_{y_1}^{y_2} f(x)\,\mathrm{d}x\mathrm{d}y\, + \int_{x_1}^{x_2} \int_{y_1}^{y_2} f(y)\,\mathrm{d}x\mathrm{d}y