Getb:Beispiel für eine DGL 1. Ordnung: Das RL-Glied

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RL-Glied

Zum Zeitpunkt  t=0 wird der Schalter S der nebenstehenden Schaltung von Position 2 auf Position 1 umgelegt. Gesucht ist der Verlauf des Stroms  i_L , also die Funktion  i_L (t) für  t \ge 0 .

Aufstellen der Differenzialgleichung

Um die Funktion  i_L (t) zu finden, werden die Maschengleichung und die Zweipolgleichungen ausgewertet:

\text{(I): } U_0 = u_R + u_L
\text{(II): } u_R = i_L \cdot R
\text{(III): } u_L = L \cdot \dot i_L

Werden nun Gleichung (II) und Gleichung (III) in (I) eingesetzt, erhält man eine DGL 1. Ordnung:

 U_0 = i_L \cdot R + L \cdot \dot i_L

Dass diese DGL linear ist, sieht man, wenn man die gesamte Gleichung durch  L teilt und damit auf die allgemeine Form einer linearen DGL bringt:

 \dot i_L + \frac{R}{L} \cdot i_L = \frac{U_0}{L}

Es liegt also eine lineare Differenzialgleichung 1. Ordnung vor. Diese Gleichung beschreibt nicht den zeitlichen Verlauf des Stroms  i_L (t) , sondern setzt die zeitliche Änderung (Ableitung) des Stroms  i_L ins Verhältnis zu seinem momentanen Wert und der Eingangsspannung  U_0 . Die Lösung dieser DGL ist die gesuchte Funktion  i_L (t) , die den Stromverlauf beschreibt. Dieser Stromverlauf entspricht den Zusammenhängen der DGL und muss auch den noch zu betrachtenden Anfangsbedingungen entsprechen.

Lösung der homogenen Differenzialgleichung

Ziel ist es, die eben aufgestellte DGL für das RL-Glied zu lösen. Die dazugehörige homogene DGL lautet:

 \dot i_l + \frac{R}{L} \cdot i_l = 0

Die gesuchte Funktion ist der Verlauf des Stroms  i_{Lh}(t) . Zur Lösung wird der Exponentialansatz angesetzt. Der gesuchte Strom  i_{Lh}(t) hat die Einheit Ampere, sodass auch die Konstante  i_{Lh0} die Einheit Ampere hat, während die Exponentialfunktion einheitenlos ist. Statt mit  \lambda wird der Exponentialansatz mit  \textstyle \frac{1}{\tau} geschrieben, um den Zusammenhang mit der Zeitkonstante  \tau der Schaltung zu verdeutlichen. Der Exponentialansatz und dessen Ableitung lauten für diesen Fall also:

 i_{Lh}(t) = i_{Lh0} \cdot \operatorname{e}^{- \frac{t}{\tau}}
 \dot i_{Lh}(t) = - \frac{1}{\tau} \cdot i_{Lh0} \cdot \operatorname{e}^{- \frac{t}{\tau}}

Beides kann nun in die homogene DGL eingesetzt werden. Es ergibt sich:

 - \frac{1}{\tau} \cdot i_{Lh0} \cdot \operatorname{e}^{- \frac{t}{\tau}} + \frac{R}{L} \cdot i_{Lh0} \cdot \operatorname{e}^{- \frac{t}{\tau}} = 0

Zusammenfassen liefert folgenden Ausdruck:

 i_{Lh0} \cdot \operatorname{e}^{- \frac{t}{\tau}} \cdot \left( \frac{R}{L} - \frac{1}{\tau} \right) = 0

Diese Gleichung ist erfüllt, wenn einer der Faktoren gleich 0 ist. Die e-Funktion kann niemals null sein. Der Fall i_{Lh0}=0 führt zur Lösung  i_{Lh}(t)=0 und ist für die Praxis meist nicht relevant, da sich in diesem Fall der Strom  i_L nicht zeitlich ändern würde. Aus  \textstyle (\frac{R}{L} - \frac{1}{\tau}) =0 folgt aber  \textstyle \frac{R}{L} =  \frac{1}{\tau} \Rightarrow \tau =\frac{L}{R} . Damit wurde die Zeitkonstante der Schaltung bestimmt und die Lösung für die homogene DGL lautet:

 i_{Lh}(t) = i_{Lh0} \cdot \operatorname{e}^{- \frac{t}{\tau}} = i_{Lh0} \cdot \operatorname{e}^{- \frac{R \cdot t}{L}}

Lösung der inhomogenen Differenzialgleichung

Gesucht wird eine partikuläre Lösung  i_{Lp} der inhomogenen DGL

 \dot i_L + \frac{R}{L} \cdot i_L = \frac{U_0}{L}

Da die rechte Seite mit  \textstyle \frac{U_0}{L} konstant ist, kann für  i_{Lp} auch ein konstanter Wert angenommen werden. Dann gilt  \dot i_{Lp} = 0 und die Gleichung vereinfacht sich zu:

 \frac{R}{L} \cdot i_{Lp} = \frac{U_0}{L}

Durch Umstellen sieht man, dass  \textstyle i_{Lp} = \frac{U_0}{R} eine partikuläre Lösung der inhomogenen DGL ist. Die allgemeine Lösung der inhomogenen DGL lautet also:

 i_L (t) = i_{Lh}(t) + i_{Lp} = i_{Lh0} \cdot \operatorname{e}^{- \frac{R \cdot t}{L}} + \frac{U_0}{R}

Anpassung der allgemeinen Lösung an die spezielle Anwendung

In der vorherigen Rechnung wurde für den Strom  i_L (t) die allgemeine Lösung gefunden. Dabei ist die Größe  i_{Lh0} noch unbestimmt. Aus dem Strom  i_{L0} , der zum Zeitpunkt  t=0 durch die Spule fließt, resultiert die Anfangsbedingung  i_L (0) = i_{L0} . Einsetzen in die allgemeine Lösung liefert:

 i_{L0} = i_{Lh0} \cdot \operatorname{e}^{- \frac{R \cdot 0}{L}} + \frac{U_0}{R} = i_{Lh0} \cdot \operatorname{e}^0 + \frac{U_0}{R} = i_{Lh0} + \frac{U_0}{R}
 \Rightarrow i_{Lh0} = i_{L0} - \frac{U_0}{R}

Damit kann nun die endgültige Lösung für den Strom  i_L (t) bestimmt werden:

 i_L (t) = \left( i_{L0} - \frac{U_0}{R} \right) \cdot \operatorname{e}^{- \frac{R \cdot t}{L}} + \frac{U_0}{R}
 \Leftrightarrow i_L (t) = i_{L0} \cdot \operatorname{e}^{- \frac{t}{\tau}} + \frac{U_0}{R} \cdot (1 - \operatorname{e}^{- \frac{t}{\tau}})

In der zweiten Darstellung wurde lediglich die schon bestimmte Zeitkonstante  \tau verwendet und die Gleichung etwas anders zusammengefasst.