Getb:Vorgehen zur Lösung linearer Differenzialgleichungen 1. Ordnung

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Gegeben sei eine inhomogene Differenzialgleichung 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Diese DGL lässt sich allgemein schreiben als

 y'(t)+a \cdot y(t)=g(t)

wobei  a eine Konstante ist. Die Lösung erfolgt in vier Schritten:

  1. Lösung der dazugehörigen homogenen DGL
  2. Finden einer partikulären Lösung der inhomogenen DGL
  3. Addieren der beiden Lösungen liefert die allgemeine Lösung der inhomogenen DGL
  4. Berücksichtigung von Anfangsbedingungen


Lösung der homogenen linearen Differenzialgleichung

Die zur inhomogenen DGL dazugehörige homogene DGL lautet:

 y'(t)+a \cdot y(t)=0

Zur Herleitung der Lösung wird nun das Verfahren „Trennung der Variablen“ angewandt. Dabei wird die Gleichung so umgestellt, dass die eine Seite der Gleichung nur noch von  t , und die andere Seite der Gleichung nur noch von  y abhängt. Nun werden beide Seiten der Gleichung integriert und daraus ergibt sich dann die Lösung für  y .

Für die bessere Übersichtlichkeit wird die Abhängigkeit der Funktion  y von  t im Folgenden nicht explizit angegeben  \left( y=y(t) \right) und für deren Ableitung  y' wird die Schreibweise  \textstyle \frac{dy}{dt} genutzt:

 \frac{dy}{dt} +a \cdot y = 0
 \Rightarrow \frac{dy}{dt} = -a \cdot y
 \Rightarrow \frac{dy}{y}=-a \cdot dt

Nun folgt die Integration. Dabei werden die Integrationskonstanten beider Integrale zu einer gemeinsamen Integrationskonstante  C zusammengefasst.

 \int \frac{1}{y} dy = - \int a \cdot dt
 \Rightarrow \ln(|y|) = -a \cdot t + C
 \Rightarrow |y| = \operatorname{e}^{-a \cdot t + C} =\operatorname{e}^C \cdot \operatorname{e}^{-a \cdot t}
 \Rightarrow y = \pm \operatorname{e}^C \cdot \operatorname{e}^{-a \cdot t}

Da die Integrationskonstante  C alle reellen Zahlen durchläuft, kann  \operatorname{e}^C beliebige positive Werte annehmen. Der Ausdruck  \pm \operatorname{e}^C durchläuft damit alle von 0 verschiedene, reelle Werte. Auch  y=0 ist eine Lösung der homogenen DGL, weshalb  \pm \operatorname{e}^C durch die Konstante  K \in \R ersetzt werden kann. Die allgemeine Lösung der homogenen linearen Differenzialgleichung 1. Ordnung lautet damit:

 y_{h}(t) = K \cdot \operatorname{e}^{-a \cdot t} \text{ mit } K \in \R

Der Index 'h' deutet an, dass es sich um die allgemeine Lösung der homogenen DGL handelt.

Hinweis: Das Verfahren kann auch bei nicht konstanten Koeffizienten angewandt werden, um eine homogene lineare DGL erster Ordnung zu lösen. Einzige Bedingung an den Koeffizienten ist, dass dieser eine integrierbare Funktion sein muss.

Exponentialansatz

Mit dem Verfahren „Trennung der Variablen“ kommt man ohne Vorkenntnisse auf den Exponentialansatz zur Lösung der DGL. Bei der Lösung von Differentialgleichungen besteht jedoch auch die Möglichkeit, eine Lösung zu vermuten. Wenn eine Funktion die Differentialgleichung und auch die Anfangsbedingungen einer Aufgabe erfüllt, so ist diese Funktion eine gültige Lösung der DGL. Statt das Verfahren „Trennung der Variablen“ anzuwenden, kann bei einer linearen DGL 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten auch der Exponentialansatz  y(t) = K \cdot \operatorname{e}^{\lambda \cdot t} direkt in die homogene DGL eingesetzt werden. Mit der Ableitung  y'(t)=\lambda \cdot K \cdot e^{\lambda \cdot t} ergibt sich dann:

 y'(t) + a \cdot y(t) = \lambda \cdot K \cdot e^{\lambda \cdot t} + a \cdot K \cdot \operatorname{e}^{\lambda \cdot t} = (\lambda + a) \cdot K \cdot \operatorname{e}^{\lambda \cdot t} = 0

Diese Gleichung ist erfüllt, wenn einer der Koeffizienten gleich 0 ist. Die e-Funktion ist immer größer 0 und kann bei dieser Betrachtung daher vernachlässigt werden. Der Fall  K=0 führt zu der trivialen Lösung  y=0 . Der Fall  (\lambda+a)=0 führt zu der Bedingung  \lambda = -a . Damit ergibt sich direkt die allgemeine Lösung:

 y_{h}(t) = K \cdot \operatorname{e}^{-a \cdot t} \text{ mit } K \in \R

Lösung der inhomogenen Differenzialgleichung

Nachdem die homogene DGL gelöst ist, muss nun eine spezielle (partikuläre) Lösung der DGL für den inhomogenen Fall gefunden werden. Gesucht wird also irgendeine Funktion y_p (t), welche die DGL

 y_{p}'(t) + a \cdot y_{p}(t) = g(t)

erfüllt. Sollte  g(t) konstant sein, fällt dies besonders leicht, da für  y_p ebenfalls ein konstanter Term gewählt werden kann, dessen Ableitung dann gleich 0 ist. Die allgemeine Lösung für die inhomogene DGL ergibt sich dann mit  y(t)= y_h (t)+y_p (t) , wobei  y_h (t) die allgemeine Lösung der homogenen DGL ist.

Anpassung der allgemeinen Lösung an eine spezielle Anwendung

Bisher wurde nur die allgemeine Lösung der linearen DGL 1. Ordnung gefunden. Die Lösung ist eine allgemeine Lösung, weil die Konstante (alternativ: der Parameter)  K bisher nicht bestimmt wurde. Zur Erinnerung: Die allgemeine Lösung einer DGL 1. Ordnung enthält nur einen zunächst unbekannten Parameter. In konkreten Problemstellungen gibt es aber häufig äußere Randbedingungen, aus denen sich ein bestimmter Wert für  K ergibt.

Da nur eine Konstante bestimmt werden muss, reicht eine Bedingung für die Bestimmung dieser Konstante aus. Eine sogenannte Anfangsbedingung wird in der Form  y(t_0 )= y_0 angegeben. Einsetzen in die allgemeine Lösung der inhomogenen DGL liefert dann die Gleichung:

 y_0=y_h (t_0 )+y_p (t_0 )=K \cdot \operatorname{e}^{-a \cdot t_0 }+y_p (t_0 )

In dieser Gleichung sind alle Werte außer  K bekannt. Damit kann  K durch Umstellen bestimmt werden, und  y(t) mit dem bestimmten  K ist dann die Lösung des "Anfangswertproblems".

Zusammenfassung

Die Lösung einer inhomogenen, linearen Differenzialgleichung 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten erfolgt in vier Schritten:

  1. Lösen der zugehörigen homogenen linearen DGL  y'(t)+a \cdot y(t)=0  mit Hilfe des Exponentialansatzes  y_h (t)=K \cdot \operatorname{e}^{\lambda \cdot t} .
  2. Finden einer speziellen (partikulären) Lösung  y_p (t) , welche die inhomogene DGl löst.
  3. Addition der allgemeinen Lösung der homogenen DGL und der partikulären Lösung liefert die allgemeine Lösung für die inhomogene DGL:   y(t)= y_h (t)+y_p (t)
  4. Eventuelle Anfangsbedingung in  y(t) einsetzen, um die Konstante  K zu bestimmen.