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DFG-Schwerpunktprogramm:
Grundlagen und Verfahren verlustarmer Informationsverarbeitung
Aufgabenstellung
Ausgangspunkt
Die mit dem Einsatz komplexer Daten- und Signalverarbeitungssysteme einhergehende
hohe Leistungsaufnahme wird in vielen informationstechnischen Anwendungen - insbesondere mit
mobilen bzw. portablen Geräten - zu einem zentralen Problem. So ist bei heutigen
Hochleistungs-Chipentwicklungen die Miniaturisierung vielfach ein geringeres Problem als
die Behandlung der Wärmeentwicklung: Größere Verlustleistungen benötigen
aufwendige
Sondermaßnahmen, um die entstehende Wärme ableiten zu können. Um jedoch
Informationen schneller verarbeiten zu können, müssen die Verbindungen zwischen den
einzelnen
Transistoren verkürzt werden. Gleichzeitig verlangt die Komplexität der
Aufgaben eine
Erhöhung der Transistoranzahl, wodurch die Leistungsdichte weiter steigt. Damit ergibt
sich als Herausforderung für die zukünftige Entwicklung die Erforschung von
verlustarmer Informationsverarbeitung.
Ziele
Hauptziel des Schwerpunktprogrammes ist deshalb die
Erarbeitung
von Grundlagen und Verfahren zur verlustarmen Informationsverarbeitung, wobei
durchgängig alle Ebenen des Entwurfsprozesses (Systemkonzept, Algorithmenentwurf,
Architektur, Arithmetik, Schaltungsprimitive und Bauelemente) berücksichtigt werden
sollen.
Auf vielen dieser Entwurfsebenen existieren bereits Ansätze zur
Verlustleistungsminimierung, die jedoch nicht systematisch durchgängig über alle Abstraktionsebenen
angelegt
sind. Neue Ansätze können vom System- und Algorithmusentwurf ausgehen und
innovative
Konzepte zur Leistungsreduktion über die darunterliegenden Entwurfsebenen
konsistent
transportieren oder aber umgekehrt, bei technologisch bzw. schaltungstechnisch
neuen
Ideen beginnend, diese in die darüberliegenden Abstraktionsebenen hineinwirken
lassen.
Mischformen dieser beiden Entwurfsstrategien, bei denen bestimmte
Architekturgrundformen mit schaltungstechnischen Prinzipien wechselwirken, sind ebenfalls mögliche
Alternativen.
Weiterhin soll die Leistungsfähigkeit verlustarmer Informationsverarbeitung
exemplarisch
in ausgewählten Anwendungsprojekten nachgewiesen werden.
Verlustleistungsoptimierte
Schaltkreise besitzen ein erhebliches Anwendungspotential im Bereich
hochkomplexer
Signalverarbeitung, insbesondere in mobilen und portable Anwendungen, und
werden in
zunehmendem Maße eine wichtige Rolle in potentiell profitablen Marktsegmenten
spielen,
so u. a. in der Medizintechnik bei intrakorporalen Signalverarbeitungsgeräten
(z. B. hochentwickelte Hörgeräte). Einen weiteren anwendungsrelevanten Sektor stellen die
kommenden Generationen von mobilen Kommunikationsgeräten (z. B. Mobiltelefone) dar.
Darüber
hinaus ist die langfristige Stromversorgung von Systemen für Authentifikation,
Zugriffskontrolle, bargeldlosen Zahlungsverkehr usw. auf Chipkarten von
entscheidender
Bedeutung.
Im Schwerpunktprogramm sollen die Erkenntnisse verschiedener Disziplinen
zusammengeführt und für die Erforschung gemeinsamer Fragestellungen nutzbar gemacht
werden; die
Bildung interdisziplinärer Kooperationen und Verbünde ist daher besonders
erwünscht.
Methodische und thematische Abgrenzung zu verwandten Forschungsgebieten
Wenngleich Untersuchungen zur verlustarmen Informationsverarbeitung in hohem
Maße
mit verschiedenen Forschungszweigen der Elektrotechnik, Informatik,
Thermodynamik,
Angewandten Mathematik und Physik in Wechselwirkung stehen, so muß sich das
Schwerpunktprogramm VIVA doch von Projekten abgrenzen, bei denen nicht die genannten
Fragen im Mittelpunkt des Interesses stehen.
Das Forschungsgebiet kann grundsätzlich in vier Teilbereiche unterteilt werden:
- Produktnahe Entwicklungen in Richtung verlustarme CMOS-Technik: Diese werden
hauptsächlich von der Industrie durchgeführt und sollten nicht im
Schwerpunktprogramm
untersucht werden.
- Bei den längerfristig notwendigen Forschungsarbeiten, welche die
Schaltungstechnik, die
Technologie und die auf Silizium basierenden Systeme betreffen, sind noch viele
Entwicklungen denkbar, die wegen ihrer Unsicherheit nicht in der
Gesamtheit von der Industrie
untersucht werden können. Hier im Vorfeld die Möglichkeiten und ihre
Machbarkeit zu sondieren, ist eine wichtige
Aufgabe der
Hochschulen. Dieses Gebiet ist Hauptthema dieses Schwerpunktprogrammes.
- Geringe Verlustleistung und Reversibilität spielen gerade bei
zukünftigen Technologien eine Rolle. Obwohl Nanosysteme, Molekularelektronik und
Quantencomputing nicht zu den Themen dieses Schwerpunktes
gehören, könnten die in diesen Gebieten entwickelten Techniken auf ihre
Übertragbarkeit hin untersucht werden, um daraus neue Entwicklungen für reversible und adiabatische
Schaltkreise der obengenannten Produktlinien möglich zu machen.
- Grundlagenfragen der verlustarmen Informationsverarbeitung
bilden die Zusammenhänge zu Physik, Komplexitätstheorie und
Informationstheorie. Untersucht werden soll die intrinsische
Verbindung von thermodynamischer Entropie, Informationsgehalt und der
zu ihrer Verarbeitung nötige Aufwand. In der Physik begründete
Komplexitätsmaße könnten die Grenzen des technisch
Möglichen klären sowie die Brücke zu bestimmten Methoden der theoretischen
Informatik schlagen.
Förderungswürdig im Schwerpunktprogramm sind Vorhaben, die darüber hinaus die
folgenden Kriterien erfüllen:
Arbeiten zur Synthese von Algorithmen müssen nicht nur deren Eigenschaften aus
algorithmischer Sicht optimieren, sondern die Erhaltung der optimierten Eigenschaften
bei der
Abbildung auf die Zielarchitektur bzw. deren gleichzeitige Optimierung zum Ziel
haben.
Da es für Architekturen mehrere Abstraktionsebenen bis hin zu den
Schaltungsprimitiven
und deren technologieorientierter Realisierung gibt, ist es wichtig, daß einerseits beim Top-Down-Entwurf die auf den hohen Ebenen konstruierten Eigenschaften über die
Entwurfsverfeinerung bis in die schaltungstechnische Implementierung hinein
transportiert werden,
und andererseits die auf technologienaher Ebene möglichen Optimierungen über
geeignete
Modelle in den abstrakteren Ebenen beschrieben und in den Entwurfsprozeß
frühzeitig einbezogen werden können. Forschungsvorhaben, die den Entwurfsprozeß über mehr als
eine
Abstraktionsebene entwickeln und dabei insbesondere die Wechselwirkung zwischen
diesen Ebenen untersuchen und nutzbar machen, gehören zentral zum
Schwerpunktprogramm.
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